Hintergrund
Als Personen in der Gesellschaft sind wir
Träger von Informationen. Wir senden sie pausenlos an die Menschen in unserer unmittelbaren
Umgebung. Informationen werden bewusst und unbewusst gesendet, jedoch sagen sie
immer etwas über uns aus und setzen das Bild, das man von uns in der
Öffentlichkeit hat, zusammen. Von
unserem Gegenüber werden sie genutzt, um uns zu verstehen und einzuordnen.
Wollen wir den Informationsfluss stoppen, so
entziehen wir uns einfach der Öffentlichkeit. Das Gesendete verbleibt nun in
der Erinnerung. Diese kann verblassen oder sogar vergessen werden.
Wir leben in dem Bewusstsein, dass wir über
das Bild, dass andere von uns haben verfügen können. Dass wir uns entwickeln
können, Aussagen revidieren und in der Lage sind die Meinungen Anderer ein
Stück weit zu beeinflussen.
Dieses Verständnis von Kommunikation mit
Anderen tragen wir in soziale Netzwerke – in einen Raum, in dem andere Regeln
gelten. Denn jede soziale Community, jeder Anbieter und Inhaber von Rechten
stellt seine eigenen Regeln auf.
Digitalen
Medien und soziale Netzwerke
Aktion Analog will eben mit diesem Wissen
spielen. Das eigene Bett, der heimische Tisch und Stuhl bilden im Atelier 12
die Kulisse für das eigentliche, unsichtbare Exponat: Information.
Information in gewohnter und doch öffentlicher
Umgebung. Hier gilt, abgesehen von geltendem Recht, das Hausrecht, ebenso wie
in den Social Communitys. Und dieses Hausrecht ist: Alle gesendeten
Informationen von Personen innerhalb des Ausstellungsraumes werden für die
Öffentlichkeit radikal transparent gemacht. Denn für das WWW gilt:
Gegebene Informationen werden zu Daten. Mit
dem Eintritt in die Sphäre der digitalen Medien geraten sie aus dem
Kontrollbereich des Users. Der bekannte Satz ,Das Netz vergisst nicht‘, scheint
vielen geläufig zu sein. Jedoch ist oft unklar, wie und in welchem Umfang man
seine Daten „abgibt“ und wo sie überhaupt landen. Wer verfügt über meine Daten
und was geschieht damit?
Fest steht, dass sobald wir den virtuellen
Raum betreten Informationen von uns hinterlassen, oder kurzfristig zur
Verfügung stellen. Aus technischen Gründen muss Letzteres nicht direkt zu
verurteilen sein.
Wie ist es jedoch mit sensiblen, persönlichen
Informationen von uns bestellt, die eigentlich nur für einen ausgewählten
Personenkreis bestimmt sein sollen? Wird mit den Daten sorgsam umgegangen, sie
auch ausreichend bewacht? Fest steht: Es gibt keine sicheren Communities. Die
größte von ihnen verhehlt ihre Absichten nicht: Nicht länger
„Datenschutzrichtlinien“ sondern „Datenverwendungsrichtlinien“
regeln den Umgang mit den Daten von Facebook-Usern.
Im Netz ist nichts gratis. Für die Nutzung
frei zugänglicher Portale wie Facebook, StudiVZ & Co., oder auch Email-Accounts
zahlen wir, ohne dass wir es direkt wissen. Denn:
Wir zahlen mit unseren Daten. Wir
zahlen mit Information über uns.
Allzu oft setzen wir ganz selbstverständlich
ein Häkchen in das „Ich-stimme-zu“-Kästchen von Social Communities,
Internet-Shops oder Kundenportalen. Doch sind wir uns dabei bewusst, was mit
unseren Daten, unserer Privatsphäre passiert?
845 Millionen aktive Nutzer sind auf Facebook
registriert. 78% der Jugendlichen in Deutschland nutzen die Community. Ist es
legitim, dass der Konzern jegliche Nutzungsregeln zum Nachteil der Nutzer
aufstellen kann? Oder ist das Portal nicht schon längst zu etwas ähnlich einem
öffentlichen Gut geworden? Sollten die Nutzer nicht über jegliches Reglement
entscheiden?!
Stark bedenklich ist in Bezug auf Facebook ist
die gängige Praxis das Adressbuch von angemeldeten nach potentiellen Nutzern zu
durchforsten. Emailadressen und Telefonnummern werden so akquiriert und
gespeichert, ohne dass die dazugehörigen Personen sich dagegen zu Wehr setzen
könnten. Selbst wenn man aus verschiedenen Gründen eine Mitgliedschaft bei
Facebook ausschließt, kann man sich dennoch nicht vor der Nutzung und Speicherung
seiner Daten retten.
Nicht nur in Bezug auf die sozialen Netzwerke
liegen unsere Daten blank. Der Google-Konzern hat seit März seine Richtlinien
für die Nutzung der von ihm angebotenen Dienste geändert. Nutzungsgewohnheiten
und Inhalte können nun verknüpft, Standorte bestimmt und Telefonnummern erfasst
werden. Im Fall von dem Adroid Betriebssystem für Smartphones sogar die
privaten Daten von Anrufern.
Angesichts dieser Entwicklungen erheben
verschiedene Verbraucherverbände, in einigen Fällen auch die Bundesregierung
Klage.
„Der gläserne Mensch. Leben im Schaufenster“
möchte für einen sensibilisierten Umgang mit den eigenen Daten in der digitalen
Welt aufmerksam machen, Fragen aufwerfen und die Besucher der Ausstellung zum
Denken anregen.
Der Raum
Der Ausstellungsraum des Atelier 12 bildet den Lebensraum der
Gruppe. Hier wird gefrühstückt, geschlafen, gearbeitet, gelebt. Die
Informationsträger empfangen Freunde und Familie ebenso wie Gäste. Jedoch unter
folgender Bedingung: Jegliche Information über die Personen wird transparent gemacht.
Den Besuchern wird so ein lockerer, oder fehlender Datenschutz offen sichtlich
gemacht. So werden sie Teil der Ausstellung.
Der Eingang
Ja, ich stimme zu. Hiermit
wird der Besucher über der Eingangstür empfangen. Denn er darf die Ausstellung
betreten und so selbst zum Medium der Informationen werden, die er der Öffentlichkeit
preisgibt. Dies ist das Hausrecht, das auch Social Communities und andere
Anbieter anwenden.
Die
Statusanzeige
Wie geht es den Bewohnern der Ausstellung? Was haben sie zu sagen?
Hier erfährt man es. Natürlich werden sowohl interessante, als auch völlig
unbrauchbare und nichtige Informationen preisgegeben.
Die
Livevideowand
Der Ausstellungsraum wird mit Kameras aus verschiedenen
Perspektiven aufgenommen. Die dadurch entstehenden Blickwinkel auf das
Raumgeschehen werden direkt in das Schaufenster und den darin befindlichen
Empfangsgeräten übertragen.
Die
Vernetzungswand
Auf dieser Leinwand entsteht das Zeugnis der Ausstellung. Jeder
Besucher trägt sich dort ein und legt offen in welcher Beziehung er zu den
vorherigen Besuchern steht. Die sichtbar gemachte Vernetzung der informellen
Gruppe von Ausstellungsbesuchern steht für totale Transparenz.
Facebook-Daten werden auf einem Server in Irland gespeichert. Die
Speicherung ist nicht begrenzt und unterliegt nicht dem deutschen
Datenschutzrecht. Am Ende der Ausstellung, während der Abschlussveranstaltung
am 28. April, wird die Leinwand symbolisch für das notwendige Löschen von
persönlichen Daten verbrannt.
Der Blog
Unter der-glaeserne-mensch.blogspot.de
erweitert die Gruppe den Ausstellungsradius und dokumentiert das aktuelle
Geschehen der Ausstellung mit Bild und Text.
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